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Geschichten aus den Andenkordilleren

So fahren wir also von der Küste nach Osten, wieder in Richtung Berge, um mehr von dieser ehemaligen deutsch-österreichischen Kolonie zu erfahren. Dazu müssen wir den Paso Ticlio auf 4818 m überqueren. Leider verlassen wir, trotz dringender Empfehlungen, Lima doch erst um 05:30 Uhr früh. Definitiv mindestens eine halbe Stunde zu spät, denn die ersten Busse sind bereits unterwegs und bis wir uns an den Stadtrand kämpfen, vergehen zwei Stunden. Vor uns erreichen daher auch noch einige Laster die Strecke zum Pass und so wird die Fahrt zu einem ständigen Überholmanöver in abgasgeschwängerter Luft und wir haben wenig Muße die wundervolle Gebirgslandschaft um uns herum zu genießen. 

Erst nach der Passhöhe wird es langsam besser und schnell werden aus den Bergen landwirtschaftliche Anbauflächen und plötzlich schwüler Regenwald – fantastisch! Wir sehen Landschaften und Dörfer, wie wir sie bisher nur aus Dokumentarfilmen kennen:

Deutsche und Österreicher

Unser Ziel, Oxapampa, wurde von den Nachfahren der Tiroler und Rheinländer gegründet, die ursprünglich 1859 als Handwerker von der peruanischen Regierung für das Gebiet Pozuzu angeworben wurden. Von den anfangs über 300 Kolonisten erreichten nach einem kräftezehrenden zweijährigen Marsch über die Anden nur etwa die Hälfte ihr Ziel, da keinerlei Straße dorthin führte. Sie wurden ihrem Schicksal überlassen und schließlich vergessen. Erst etwa 100 Jahre später wurde bei einer Volkszählung zufällig entdeckt, dass ca. ein Drittel dieser Einwohner Deutsch als Muttersprache nutzte (und dies in einem eigentümlichen, lange nicht mehr gebräuchlichem Dialekt).

Oxapampa verwundert uns schon beim Vorbeifahren, als wir Mädchen in Dirndln als Schuluniformen sehen und wir finden auch in der Stadt noch viele deutsche Läden, Namen und Gesichter – allerdings hören wir niemanden Deutsch sprechen. Dennoch hat es einen seltsamen Charme für uns und wir fühlen uns dort sehr wohl. Die Nachkommen der Siedler nicken uns fast verschwörerisch zu und die peruanischen Touristen halten uns für ebendiese. Wirklich witzig!

Als wir schließlich der Ursprungskolonie in Pozuzu einen Besuch abstatten wollen, hat es schon ein paar Tage etwas geregnet und die teils nicht asphaltierte Piste ist uns zu rutschig – deswegen kehren wir auf halber Strecke wieder um.

Kotosh

Wieder zurück über die „weiße“ Andenkette (auf Grund der schneebedeckten Gipfel), mitten durch die Hochebene des Nationalparks Junin auf über 4000 m, gibt es kurz nach Huanuco ein paar „alte Steine“ die unserer harren. Wie so oft, schlägt das Wetter hier oben schnell um und wir fahren plötzlich und unvermutet auf eine geschlossene Schneedecke auf. Nicht gezuckt oder gebremst, geht alles gut.
So können wir uns am nächsten Tag  der Ausgrabungsstätte Kotosh widmen, deren älteste Tempel bis zu 1800 Jahre v. Chr. zurückreichen. Alle waren überdacht und hatten in der Mitte eine Feuerstelle mit einer unterirdischen Lüftungszufuhr für dieses Opferfeuer. Der berühmteste davon zeigt ein Relief mit gekreuzten Händen, deren Bedeutung den Archäologen immer noch Rätsel aufgeben.

Im Anschluss soll es gleich weiter in niedrigere und wärmere Gefilde für uns gehen. Leider wird unsere Tagesroutenplanung von einer Baustelle zunichte gemacht, die erst mittags für den Verkehr öffnet. Macht nichts – wir haben Spaß an der Schranke mit den anderen Wartenden inklusive dem Baustellenpersonal. 

Was dann kommt, geht als längste und bisher zermürbendste Fahrt unserer bisherigen Reisen ein:
Ein Anwohner gestikuliert noch drohend und verneinend mit dem Zeigefinger, als er mich skeptisch zu den sandigen Serpentinen aufblicken sieht. Aber mein Roadcaptain fährt schon los und ich muss hinterher… So ist denn die erste frisch aufgeschüttete Spitzkehre schon wieder wie für mich geschaffen und ich probiere aus, wie mein neuer Stiefel die auf ihm liegende Fat Lady verträgt. Bevor Thomas absteigen kann, haben schon wieder dutzende Hände mich und das Moped aufgestellt.  Für mi-mi ist keine Zeit – weiter geht‘s!

Nach über 100 km Sand, Schotter und Schlaglöchern kommt das richtige Grauen – Matsch, Schlamm und riesige Schlammpfützen. Insgesamt wühlen wir uns sieben Stunden und 140 km durch diese Baustelle um nach einem Übernachtungsstopp noch die restlichen 20 km am nächsten Tag hinter uns zu bringen. Wo war nochmal die Matschpiste nach Pozuzu – die würden wir jetzt kalt lächelnd fahren…

Peruanische Opfer

Einer wirklichen Katastrophe widmen wir uns in der Stadt Yungay. Hier hat 1970 nach einem schweren Erdbeben der, mit 6768 m höchste Berg Perus, der Huarascán, eine Schlamm-, Eis- und Gerölllawine ausgelöst und die komplette Stadt mit 20.000 Menschen unter sich begraben. Nur ca. 300 Personen überlebten, so z.B. einige, die sich auf den höher gelegenen Friedhof retten konnten, der sich auf einer ehemaligen Inka-Festung befindet.

In ganz Peru hat dieses Beben 70.000 Tote gefordert. Die ehemalige Stadt ist nun ein „heiliges Feld“ das man besichtigen kann und das noch beklemmende Schauplätze, wie einen mit Schlamm gefüllten Schulbus zeigt.

So geerdet fahren wir nun über die „schwarze“ Anden-Kordillere (Berge ohne Schnee) von Huaràz nach Casma. Die Route war ein Tipp eines einheimischen Bikers, ist bestens asphaltiert und hat, zumindest Stand heute, nicht ein einziges Schlagloch. Sie schwingt sich in unzähligen Kurven über den 4204 m hohen Pass Punta Callan wieder gen Küste.

Im Surfer-Spot Huanchaco gibt es neben den begehrten Wellen noch die traditionsreichen Schilf-Fischerboote, die immer noch genutzt werden. Wie in allen Surfer-Orten, geht es hier entspannt zu und wir genießen es. 

Chan-Chan

Ganz in der Nähe ist, fast zufällig, noch die riesige Ausgrabungsstätte der Hauptstadt einer Prä-Inka-Kultur, der Chimú. Sie wurde ca. im 11. Jhd. n. Chr. von ihnen erbaut und war seinerzeit die größte aus Lehm erbaute Stadt der Welt, die eigentlich ein Zusammenschluss mehrerer Städte mit eigenen Herrschern war. Man nimmt an, dass hier bis zu 300.000 Menschen auf 28 qkm gelebt haben bis die Inka kamen. Diese konnten die bestens befestigte und architektonisch durchgeplante Anlage nur durch das tückische Umleiten deren Wasserversorgung einnehmen. 

 

Auf die Panamericana

Die Panamericana hier ganz im Norden ist leider die letzte Straße, die wir von Peru sehen, bevor wir nach Ecuador einreisen werden. Auch die magische Wüstenlandschaft zu ihren Seiten könnte mit ein Highlight dieses prächtigen Landes sein, wenn sie nicht so unfassbar vermüllt wäre. Es ist eine wahre Schande! 

Trotzdem wird uns der letzte Tag in Peru in angenehmster Erinnerung bleiben, da wir ein anderes reisendes Paar treffen, das seit über vier Jahren unterwegs ist und uns schon seit Anfang unserer Reise digital mit wertvollen Tipps begleitet:
Ride2seetheworld – Barbara und Robert. Wie schön und kurzweilig war es, euch endlich zu treffen!

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